Suderburg
Rosiens Mutter

Hausdoktor, Heilerin und Trostspenderin

Besonders erfahren war "Rosiens Mudder"

auf Grund ihres großen Bezirks, in dem sie arbeitete, und durch ihre großen Erfahrungen. Sie war über 40 Jahre in ihrem Beruf tätig und war in dieser Zeit Geburtshelfer, Pfleger und Besmützer von nicht weniger als 1641 der allerkleinsten Erdenbürger. Einen Holzkasten mit Schiebedeckel hatte sie als Medizinkasten. In ihm fand man neben vielen Teesorten vor allem Lebensöl, Hoffmanns- und Grüne - Tropfen, Hamburger Pflaster in Stangen und Schröpfköpfe

Rosiens Mudder lehnt die Flasche aus hygienischen Gründen ab.

Offene Wunden heilte "Rosiens Mudder" meistens mit einem Honigverband. Der Honig wurde auf der Wunde verstrichen. Geschwüre heilte man mit dem Hamburger Pflaster. Die Behandlungsweise war oftmals hart. Als "Rosiens Mudder" erstmals meinen geschwollenen Fuß befühlte, sah sie mit großen Augen mich an und meinte: "So'n schietbetten! Dor na kiekt man gor nim henn, perr man wiß upp; denn watt'ock wedder beeder!" Als ich mit dieser Behandlung nicht einverstanden war und weinte, nahm sie mich in die Arme, streichelte meinen Kopf und tröstete mich mit dem Vers:

"Heile, heile Segen,
drei Tage Regen,
drei Tage Sonnenschein,
alles wieder heile sein!"

Dann war ich geborgen und fühlte midI glücklich. Bei größeren Blutansammlungen wurden Schröpfköpfe gesetzt. Die Blutegel wurden aus der Kreisstadt Uelzen besorgt. Lebensöl gab man Kranken, die mit sich selbst nicht zufrieden waren. Als Universalheilmittel galten grüne Tropfen - heute "Grünlicht Hingfong" - und Hoffmanns Tropfen. Sie wurden zu jeder Zeit in der HauptsadIe verwandt bei Erkältungen, Magenverstimmungen und übelkeit. Bei Kreislaufbesmwerden trank man morgens nüchtern einen Schnaps aus Ritz-Hilmers Brennerei in Suderburg. RückensdImerzen wurden selten durch Massieren behandelt; meistens sagte schon mittags Großmutter: "Dei oll' Jung mut midt. hüt abend noch perm, ick heff dat sau in'n Buckel und in Krüz!" Sie legte sick dann auf den Fußboden mit dem Rücken nach oben, und ich mußte eine längere Zeit auf dem Rücken vielseitig perrn.

 

"Rosiens Mutter"
Maria Köhnecke wurde am 11. November 1854 in Groß Süstedt, Kr. Uelzen, geboren. Ihre Vorfahren stammten aus dem Hof Köhnecke in Groß Süstedt. Die Eltern waren dem hannoverschen Königshause treu. Sie wanderten deshalb nach Amerika aus, als Hannoverland preußisch wurde. Die Tochter sollte nach Abschluß der Schulzeit und nach ihrer Konfirmation den Eltern folgen. Doch sie lehnte aus nicht bekannten Gründen die Auswanderung ab. Sie heiratete in 2. Ehe am 23. Februar 1877 den Imker Wilhelm Rosien. Nach dem Tode ihres ersten Mannes bereitete sie sich in Celle für den Hebammenberuf vor und bestand dort vor der Königlichen Prüfungskommission die Abschlußprüfung. Am 12. Oktober 1878 bewarb sie sich im Amt Oldenstadt als »freiamtierende Hebamme" für den Großbezirk Suderburg. In ihrem Arbeitsbezirk war sie weithin bekannt unter “Rosiens Mutter”.

Wiegenlieder die “Rosiens Mutter” einst sang:

Höre! mein Kindchen, wat ick will singen.
Abbel und Beern will Vader mitbringen,
Pflaumen, Rosinen und Feigen




Mein Kindchen soll slapen und schweigen!
Eia in susen,
Kättchen will musen,
Hündchen will Hasen jagen,
Datt lüttje Kindchen soll slapen gahn!




Eije papeije papinne,
Gestern abend, da wörrn wee nicht inne.
Morjen da woll'n wee wedder iutegahn;
Denn mutt dat Papeije (Wiege) stille stahn.




Muckäuchen von Halberstadt,
Kumm her und bring us lütt' Ellen wat!
Watt schall ick eer denn bringen?
Een nei'r Paar Schuhchen mit Ringen
Schall us lütt' Ellen drin springen!
Een nei'r Paar Schuhmen mit Knöpicken,
Dor schall lütt' Ellen drin löperchen!




To Bedd, to Bedd,
Wer'n Beddchen hät!
Wer keen hät,
Geiht ook to Bedd,
Nimmt Küssen in 'nen Arm,
Sloppt ook recht warm.

 


In erhöhtem Maße war man auf dieser Art bei der Bekämpfung von Viehseuchen auf Selbsthilfe angewiesen; denn die tierärztlime Wissensmaft lag noch in den Anfängen; doch darauf weiter einzugehen, würde über den Rahmen dieser Niederschrift hinausgehen.

Deutliche Zeugnisse von vergangener Lebenshaltung unserer Altvordern wird man sicherlich noch in vielen kleinen Hausmuseen und umfangreimen Niederschriften finden können. Nur zu begrüßen wäre es, wenn behaltenswerte Einzelheiten allgemein bekannt würden. Damit würde das Alte, das leider in der Gegenwart vielfach in Mißkredit gekommen ist, wieder mehr verstanden werden. Damit hätte auch diese Niederschrift ihren Zweck erfüllt.

Alfred Baumgarten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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