Suderburg
Vum Wiesenbau zur Wasserwirtschaft

Vom Wiesenbau zur Wasserwirtschaft

In der Heidelandschaft glichen die grünen Täler der Beeken und Bäche langgestreckten Oasenbändern, die sich zwischen den sandigen Hochflächen hinzogen. In ihnen besaßen die Bauern ihre Wiesen, von denen sie den „Graswuchs" ernteten. Wie aber mögen einst die noch unkultivierten Wiesenflächen beschaffen gewesen sein, von denen man noch 1837 behauptete, daß sie je Morgen 10 Pfund Heu lieferten! Niemand hatte die sumpfigen Flächen entwässert, auf denen nur saures Gras zwischen viel Unkraut wuchs. Es lohnte sich nur, auf den höhergelegenen, trockenen Stellen das Gras zu mähen. Und auch dort gediehen Unkräuter in reichlichem Maße, und wo gutes Gras wuchs, weidete das Vieh bis in den Juni hinein.

Welchen Wert hätte aber in der damaligen Zeit eine bessere Heuernte für die Unterhaltung eines guten Viehbestandes gehabt! Im Gebiet der Lopauquellen hatte der Wulfsoder Bauer Refardt fließendes Wasser über die Heide geleitet. Es sollte den Sand ins Tal schwemmen, um die versumpften Stellen einer Wiese trocken zu legen. Ähnliche „Schwemmlandwiesen" entstanden an vielen Orten. Man hatte auch erfahren, daß gute Grasflächen bei sachgemäßer Bewässerung reichere Erträge liefern. So kam aus dem Oertzetal die Nachricht, daß man dort zahlreiche Staue unterhielt, um den Wiesen zur Wachstumszeit die genügende Feuchtigkeit zu geben. Die Bauern im Hardautal waren dadurch bekannt geworden, daß sie das stärkere Gefalle dieses Baches ausnutzten, um das Wasser mittels kleiner Rinnen über natürliche Höhenrücken zu leiten, von denen aus es dann über die leicht abfallenden Wiesenflächen rieselte.
Als in der Zeit der Franzosenkriege die Not auch in unserer Heidegegend spürbar wurde, fanden sich in Suderburg zwei Männer zu einem gemeinsamen Werk zusammen, das später die Einwohner dieses Ortes wie der weiteren Umgebung von Jahr zu Jahr zu immer höherem Wohlstand führen sollte. Das waren der Landwirt Johann Jürgen Christoph Hillmer und der Amtsvogt Helmrich. Hillmer durchdachte alle bisherigen Versuche zur Hebung und Förderung der Heuernte auf den Wiesen und fand einen neuen Weg in der Anlage von Rieselwiesen, den dann der Amtsvogt Helmrich unter dem Namen „Suderburger Rückenbau" weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus bekannt machte. Von Hillmer, der 1770 in Oldendorf geboren wurde, schreibt ein Enkel: „Seine Schulbildung erhielt er in der Oldendorfer Volksschule. Doch wird er die für einen Landbewohner ungewöhnlichen Kenntnisse, deren Besitz ihm im Mannesalter sein Pastor in den Kirchenakten bezeugt, schwerlich einer Dorfschule verdankt haben. Es ist vielmehr anzunehmen, daß er sich diese Kenntnisse nach seiner Schulzeit durch eifriges Weiterstreben und durch den Umgang mit gebildeten Menschen erworben hat. Er lernte von seinem Vater und Großvater das Drechslerhandwerk, das von ihm nach Kräften ausgeübt wurde. Seine Pfeifenköpfe, meist aus schön gemasertem Birkenholze hergestellt und mit silbernen und anderen Beschlägen versehen, sind sogar ins Ausland gelangt, nicht nur durch die Suderburger Wiesenbauern, sondern besonders durch Kaufleute, die mit ihren Warenzügen die an der alten Heerstraße liegenden Dörfer Oldendorf und Suderburg passierten und in seinem Nachbarhause, in Isings Hofe, rasteten. Er war auch sonst „ein Meister in allerlei Erz- und Eisenwerk". Wertvolle, mit Silber beschlagene Meerschaumköpfe kamen aus seiner Werkstatt. Auch schmiedete er für die gesamte Umgegend bei Eheschließungen die silbernen Trauringe. Von ihm angefertigte Eichenmöbel, die heute noch im Gebrauch sind, zeugen von seiner Geschicklichkeit. Neben der Ausübung dieser Künste bebaute er die Ländereien seines kleinen Hofes, die er durch Ankauf neuer Grundstücke vermehrte. Neben Handwerk und Landwirtschaft beschäftigte ihn die Bienenzucht. Aus dem gewonnenen Wachse wurden Kerzen für den Altar und für den häuslichen Gebrauch von ihm in teils noch vorhandenen Formen gegossen. Auch verwaltete er während der Herrschaft des Königreiches Westfalen das Amt eines Steuereinnehmers und später auch neben diesem Amte das des Dorfschulzen. Er strebte rastlos weiter und wirkte vorbildlich in seiner Gemeinde. Sein eigentliches Lebenswerk begann jedoch erst mit der Einführung des Suderburger Wiesenbaues, den er mit seinem Freunde Helmrich erfand und begründete und der diese beiden für die Ortschaften Oldendorf und Suderburg so bedeutsamen Männer in gemeinsamer Freundschaft bis an ihr Lebensende verband." Hillmer gelang es, die bisher geübten wilden Bewässerungsmethoden zu einem System zu verarbeiten, das dann unter dem Namen „Suderburger Rückenbau" jahrzehntelang als die vorzüglichste Wiesenkultur allgemeine Anerkennung gefunden hat. Er ließ auf den Wiesen die Grasplaggen abheben und Sand auftragen, so daß gleichlaufende Rücken entstanden, die er dann wieder mit den alten Plaggen bedeckte. Aus einem Zuleitungsgraben mit höherem Wasserstand leitete er das Wasser in Rinnen auf dem Rücken entlang, ließ es auf die leicht abfallenden Wiesenflächen überrieseln in niedere Gräben, aus denen es dann in den Bach abfließen konnte. Wir treffen solche Rieselwiesen noch heute in einigen Bachtälern unserer Heide an.
Als sein Freund Helmrich unter Anleitung Hillmers eine Wiese seines Hofes, des Stoltenhofes, auf diese Weise umbaute, erntete er in einem folgenden günstigen Jahr statt bisher 8 Zentner nun 64 Zentner Wiesenheu. Der Erfolg war so außergewöhnlich, daß Helmrich darüber in Zeitungen berichtete. Das lockte Fremde aus Preußen, Mecklenburg, Holstein, Jütland, Schweden, Österreich und sogar Rußland an, die nach hier kamen, um die neuen Wiesenanlagen zu besichtigen» Plötzlich stand Suderburg im Mittelpunkt des landwirtschaftlichen Interesses. Der Pastor von Suderburg berichtete in den Kirchenakten jährlich von Fortschritten, die die neue Wiesenkultur machte. In den Aufzeichnungen aus dem Jahre 1817 lesen wir: „Jeden der Kultur fähigen Platz schafft man in Feld und Wiese um, welche sie (die Bauern) mit großer Kunst bewässern. Schon gewährt ihre Flur einen reizenden Anblick mitten in der Sandwüste, und nach wenigen Jahren wird dieser Ort sich zu großer Wohlhabenheit emporgearbeitet haben." Hillmer und Helmrich bildeten zahlreiche Wiesenbauer aus. Ihr wichtigstes Handwerkszeug war ein Nivellierinstrument, das Hillmer anfertigte.


Von nah und fern kamen Aufträge, Wiesen zu kultivieren. Suderburg wurde zu einem Ort der Wiesenbauer, die jährlich im Frühjahr in die Ferne zogen, um dort den neuen Wiesenbau durchzuführen. Im späten Herbst kehrten sie mit dem verdienten Geld heim. 1845 beschloß der Provinzialverein, „bei dem ungeheuren Nutzen, den die Landwirtschaft durch die Anlage von Rieselwiesen erlangt hatte, zur Beförderung dieser für den Nationalwohlstand so wichtigen Meliorationen alle in der Landdrostei vorhandenen Bäche und Flüsse abzunivellieren und sämtliche an diesen Gewässern liegenden Wiesen auf ihre Qualifikation zur Anlage von Rieselwiesen untersuchen zu lassen".
Erst nach dem Tode Hillmers (1842) kamen die „goldenen Jahre des Suderburger Wiesenbaus". Es ist das Jahrzehnt 1850—1860. Über 200 Männer zogen Frühjahr um Frühjahr aus dem Kirchspiel hinaus, um im In- und Ausland öde Landstrecken in ertragreiche Wiesen umzuwandeln. Mit vielem Geld, das sie hierbei verdient hatten, kehrten sie im späten Herbst in ihre Heimat zurück.
Besonderen Ruf genossen sie in Böhmen. Es wird berichtet, daß sich dort schon 1842 der Heuertrag dank ihrer Arbeit um 1500 Zentner jährlich gehoben hatte. Als ein Uelzener Bürger damals in einem Gasthaus in Prag einkehrte, klangen heimatliche Laute unverfälschten Lüneburger Platts an sein Ohr. Er ging zum Tisch der sich unterhaltenden Männer und fragte: „Jü sünd woll Surborger Wischenmakers?" „Ja woll, dat sünd wi!" erhielt er zur Antwort und fand gleich fern der Heimat einen Kreis gleichgesinnter Menschen. Reich ist die Zahl der Anekdoten, die berichten, wie die Suderburger weit und breit bekannt geworden waren.
Damals — es war im Jahre 1853 — lasen die Suderburger eine Bekanntmachung des Provinzialvereins, daß in Uelzen eine Wiesenbauschule eröffnet werden sollte. Sie waren darüber sehr erregt, denn eine Schule für Wiesenbauer gehörte nach ihrer Meinung nicht nach Uelzen, sondern nach Suderburg. Sofort kamen 72 Wiesenbauer aus dem Kirchspiel Suderburg zusammen und beschlossen, neben der Uelzener Schule eine zweite in Suderburg zu gründen. Ihre Namen sind auf einer Stiftungstafel der früheren Wiesenbauschule verzeichnet. Noch in demselben Winter begann für 68 Schüler der Unterricht. „Es war", wie ein Berichterstatter dieser Zeit schrieb, „rührend anzusehen, wie die graubärtigen Männer mit dem Schreibbuch und der Tafel unter dem Arme nach der Stätte des Wissens eilten." Anfangs wurde der Unterricht in Wirtshäusern und Privatwohnungen erteilt, aber schon 1856 erhielten die Wiesenbauschüler ein geräumiges Zimmer in einer neuerbauten Schule.

1865
hob man dann die Uelzener Wiesenbauschule auf, denn zwei Schulen gleicher Art konnten in so naher Nachbarschaft nicht bestehen. Damit hatten leistungsfähige Landsleute in freimütiger Opferwilligkeit in unserem Kreisgebiet eine Kultur- und Bildungsstätte eigener Art geschaffen, wie sie in Deutschland einmalig war und die noch heute von größter Bedeutung ist.
In den Jahren 1845 bis 1860 legten die Suderburger Wiesenbauer im Auftrage des Provinzialvereins in planmäßiger Reihenfolge nach und nach in allen Fluß-und Bachtälern der Lüneburger Heide Rieselwiesen nach ihrer Art an. Dabei wandelte sich auch in unserem Kreisgebiet das Gesicht der Auetäler. Wo einst wilde Wiesenflächen mit Sümpfen und Bruchwäldern abwechselten, schmückte nun das saftige Grün gepflegter Rieselwiesen die Niederung. Dunkle Fichten, Birken oder Eichen an den beiderseitigen Höhen grenzten das liebliche Bild ab. Den Lauf der Bäche konnte man an den Erlen verfolgen, die man nur noch an ihren Ufern duldete.
Die Erhaltung und Pflege der Rieselwiesen erforderte viel Arbeit. Größere Höfe hielten sich dafür einen älteren Mann, den „Wischenmann". Im Herbst mußte er alle Gräben reinigen und den Schlamm über die Wiesen streuen. Dann wurde es Zeit, die Schotten zu setzen, damit das Wasser über die Wiesen rieseln konnte. Nun achtete er auf die Maulwurfsgänge, daß sie sich nicht zu einem
Wasserlauf unter der Grasfläche entwickelten. Er trat jeden Gang ein und füllte die nun entstandene Rinne mit Erde von den Maulwurfshaufen aus. Im Frühjahr, wenn die höher kreisende Sonne Eis und Schnee vertrieben hatte, erschien er wieder, überprüfte die Staue und beobachtete das rieselnde Wasser. Wo am Stau das herabfallende Wasser eine Mulde geschaffen hatte, vertrieben Forellen oder Elritzen sich die Zeit. Pfeilschnell schössen sie beiseite, um Schutz zu suchen. Dort, wo ein Graben in den Bach mündete, stand der Hecht und lauerte still auf seine Beute. In den niederen Abzugsgräben tropfte das Wasser von den überstehenden Graswulsten herab und flüsterte seine eigene Sprache. Anfang Mai öffnete der Wischenmann die Staue, und das Berieseln hörte auf. Nun prangten die Wiesen in ihrem schönsten Schmuck. Überall leuchtete das Gelb der Dotterblumen und des Löwenzahns in dem hellen grünen Gras, das üppig heranwuchs. Zwischen den hohen Halmen spazierte der Storch und fand reichlichere Nahrung als zuvor. In der zweiten Junihälfte war die Zeit der Heuernte herangekommen. Ehe die Sonne morgens den Tau getrocknet hatte, erschienen die Mäher mit ihren Sensen. Sie legten die Halme Schwade um Schwade auf die Seite, ab und zu unterbrachen die schleifenden Klänge vom Nachschärfen der Sense die Stille im Wiesental. Schien die Sonne warm vom blauen Himmel nieder, kamen bald die Frauen und Mägde mit ihren Harken zum Heuwenden. Lachend und plaudernd arbeiteten sie sich Schritt um Schritt gemeinsam vorwärts. Nach wenigen Tagen konnten sie das duftende Heu in Hocken werfen. Dann war auch schon der Heuwagen zur Stelle. Mit ausgestreckten Armen umfaßte die Altmagd oben auf dem Wagen das ihr zugereichte Heu und packte es fest, daß es auf dem Wege zum Hof nicht herabfallen konnte. — Das Gras wuchs schnell von neuem heran. Bereits im September erntete man das Grummet, den zweiten Schnitt. Danach begann wieder die Arbeit des „Wischenmannes", der die Berieselung zu überwachen hatte.
Dies noch ganz naturverbundene Leben in den Wiesentälern mußte einer modernen Wirtschaftsweise weichen, als die Landarbeiterflucht begann und der Bauer gezwungen war, stärker Maschinen einzusetzen. Über die welligen Flächen der Rieselwiesen, die von unzähligen Gräben zerschnitten waren, konnten weder Grasmäher noch Heuwender fahren. Die Nährstoffe, die bisher das Rieselwasser den Wiesen zugeführt hatte, konnte man nun durch die inzwischen von der Industrie hergestellten Düngemittel dem Boden geben. Diese beiden Tatsachen führten notwendig zu einer neuen Wiesenkultur und wandelten das Bild wie auch das Leben auf unseren Wiesen. Die Bauern ebneten die Rücken und Gräben ein. Das überflüssige Wasser ließen sie durch eine eingebaute Dränage abfließen und gaben dem Boden die notwendigen Nährstoffe in Form von künstlichem Dünger. Damit das Wasser aus den unterirdischen Dränröhren abfließen konnte, mußte der Wasserspiegel der Flüsse gesenkt werden. Daraus ergab sich die Notwendigkeit der Flußregulierungen. Diese grundlegende Umgestaltung der Wiesenkultur bedeutete den Übergang von der Rieselwiese zur Dungwiese, für den Suderburger Wiesenbauer den Wechsel von der Bewässerung zur Entwässerung und damit zur Melioration (BodenVerbesserung). Die Kunst der Melioration ermöglichte es auch, Sümpfe und Moore, die bisher als Ödland liegen geblieben waren, in Wiesen und Weiden umzuwandeln. Damit erweiterten die Bauern ihre Grünlandflächen erheblich. Im Kreise Uelzen, der im Bezirk Lüneburg den geringsten Anteil an Grünlandflächen hat, förderte man diese Arbeiten mit besonderer Energie, so daß hier Ödland heute nur noch selten zu finden ist. Es ist ein sonderbares Jubiläum, das unsere Rieselwiesen in den verflossenen Jahren begangen haben. Nachdem sie hundert Jahre lang dem Bauern das Gras in reichlichem Maße geschenkt hatten, ebnete dieser sie ein und zerstörte ihre Staue. Nun brauchte er für ihre Unterhaltung nicht mehr zu sorgen. Das Dengeln der Sensen und das Geplauder der Mägde beim Heuwenden verstummte. Dafür vernimmt man heute das Rattern der Grasmäher und ein leichtes Klappern der Heuwender. Der Storch verschwand aus den künstlich gedüngten Wiesen, denn er fand dort nicht mehr so viele Frösche. In dieser Zeit vollzog sich in der Vieh Wirtschaft der Übergang von der Stallfütterung zum Weidegang. Die Bauern zäunten ihre Wiesen mit Stacheldraht ein, damit Pferde und Kühe sich ihr Futter selber suchen können.
Am stärksten änderte sich das Bild unserer Wiesentäler mit der Durchführung der Flußregulierungen. Wer erinnert sich des Ausblicks vom Steilhang am Königsberg auf das Tal der Stederau, als diese noch im weitschweifenden Bogen gemächlich dahinfloß! Immer enger schnürte der Fluß ganze Halbinseln ab, um bald selber seinen Lauf zu begradigen und dann den Flußbogen als „toten Arm“ liegen zu lassen. Die Erlenbüsche an den Ufern waren zu hohen Bäumen aufgewachsen. Bei den Regulierungen der Wasserläufe entfernte man sie. Heute kennen wir dort nur noch den geraden Lauf mit seinen buschlosen, ebenen Ufern.
Die Arbeiten an den Flußregulierungen und Meliorationen, die unter Aufsicht des Kulturbauamtes vor dem Kriege in Angriff genommen und nach seiner Beendigung gleich fortgeführt wurden, lassen sich in ihrer Bedeutung mit dem planmäßigen Wiesenbau unter Führung des Provinzialvereins in den Jahren 1845 bis 1860 vergleichen. Ein einzelner ist nicht in der Lage, solche Arbeiten für seine Besitzungen allein durchzuführen. Schon im vergangenen Jahrhundert hatten sich in unserem Kreise 33 Stau- und Bewässerungsverbände gebildet, die das begonnene Werk auszubauen und zu erhalten suchten. Die Arbeiten der letzten Jahre erfordern noch großräumigere Planungen und Zusammenschlüsse. So kam es seit 1913 nach und nach zur Gründung von etwa 40 Wasser- und Bodenverbänden, die heute ein Gebiet von über 10000 ha Grünland pflegen. Sie bauten rund 600 Kilometer Bach- und Flußläufe aus und erhalten sie weiter. Die Durchführung dieser umfangreichen Landesmeliorationen gab in den Notjahren nach diesem Kriege zahlreichen Menschen Arbeit und Brot. Allein im Jahre 1952 konnten im Landkreis Uelzen über 80000 Notstandstagewerke abgeleistet werden. Mit Recht nannte man 1952 „das Jahr der Landesmeliorationen dieses Jahrhunderts".
Im Rahmen dieser Arbeiten wurde auch das 450 ha große Gebiet der Seewiesen bei Bodenteich entwässert. Noch die Landkarten aus der Zeit vor 200 Jahren zeigen dort den größten See unseres Kreisgebietes an. Er verlandete seit dieser Zeit, und im Gebiet des einstigen Sees bildete sich ein ausgedehntes Niederungsmoor. An seinem Rande wachsen die einzigen Zwergbirken im deutschen Flachland, und auf der Moorfläche selber finden Botaniker seltene Pflanzen. Bisher war es unmöglich, bestimmte Gebiete dieser Seewiesen zu betreten, weil der Wagemutige schon beim nächsten Schritt tief versinken konnte. Durch umfangreiche Arbeiten wurde der Wasserspiegel im Seewiesengebiet um 0,80 Meter gesenkt. Neu gezogene Gräben leiten alle überschüssigen Wassermengen einem Pumpwerk zu, das sie dann abführt. Auf diese Weise hat man umfangreiche Wiesen und Weidegebiete neu erschlossen.
Die ehemalige Wiesenbauschule in Suderburg mußte sich in ihrem Unterricht den neuen Aufgaben anpassen. Sie entwickelte sich zu einer Kulturbauschule und dann weiter zur „Staatlichen Ingenieurschule für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik". Das Wort „ Wasser Wirtschaft" zeigt an, daß sie heute ihre Schüler in ein noch weit umfassenderes Arbeitsgebiet einführt. Je enger die Menschen auf nahen Räumen zusammenrücken, um so bedeutungsvoller und schwieriger wird das Problem der Wasserversorgung und Wasserableitung. Auch in unserem Kreise müssen Aufgaben der Wasserwirtschaft gelöst werden, die weit über den Rahmen von Be- und Entwässerung der Flußtäler hinausreichen. Es gilt, das Wasser unserer Flußläufe so zu reinigen, daß es unserer Jugend wieder zu einem Quell der Freude und Gesundheit wird. Forellen und Äschen müssen sich in ihm wie früher wohl fühlen. Das ist nur möglich, wenn alle Abwässer erst nach einer einwandfreien Klärung in die Flüsse abgeführt werden. In den Landgemeinden müssen daher Kanalisationen gebaut werden. Aufgabe der Wasserwirtschaftler ist es weiter, zentrale Trinkwasserversorgungen für die Gemeinden zu schaffen. Gerade auf diesem Gebiet bietet unser Heimatkreis noch sehr viele Arbeitsmöglichkeiten. Dem Bauern muß geholfen werden, daß er seine feuchten Äcker entwässern und in trockenen Sommern beregnen lassen kann. Neu zu errichtende Stauanlagen und Arbeiten zur Verhinderung von Versandung unserer Flußläufe geben Wasserwirtschaftlern immer neue Probleme zur Lösung. Wie wichtig es ist, die Überschwemmungsschäden möglichst herabzumindern, das führt uns die Hochwasserkatastrophe in der Stadt Uelzen 1941 vor Augen, die damals einen Gesamtschaden von etwa 360000 Mark verursachte. Für die Bearbeitung solcher Aufgaben bildet die Suderburger Fachschule heute Ingenieure aus. Viele von ihnen finden in den staatlichen Wasserwirtschaftsbauämtern oder in den kommunalen Kulturbauämtern ihre Anstellung. Andere arbeiten in der privaten Wirtschaft oder als selbständige Unternehmer, um, die immer dringender werdenden Fragen der Wasserwirtschaft zu lösen. Wenn heute jährlich 400 bis 500 Studenten diese Hochschule besuchen, dann danken sie und alle Einwohner von Suderburg, welche hierdurch persönliche Vorteile haben, dies den Wiesenbauern, die einst die Schule gründeten. Die Schule selbst führt uns vor Augen, wie sehr die gewissenhafte und sorgfältige Arbeit eines einzelnen Menschen sich noch nach Generationen segensreich auswirkt.
 

 
 Die Wiesenbauschule Suderburg
 bzw.
 Fachhochschule Nordost Niedersachsen

 Heißt jetzt:
     Fachhochschule Ostfalia
 und gehört jetzt zur Fachhochschulen Wolfenbüttel,
 Braunschweig 
 

www.Suderburg-Damals.de
Suderburg
© 1999 - 2012, Gerhard Müller; Design und Layout

[Suderburg] [Historie] [Historisches] [Sagen] [Ortsteile] [Arbeit] [Hofstellen] [Wiesenbauschule] [Examinabden 1898] [Examen 1912] [Examen 1920] [Examen 1940] [Examen 1966] [Lehrkörper] [Wasserwirtschaft] [Museum] [ZUSE] [Hardau] [Grußkarten] [Vereine] [Schulen] [Gasthäuser] [Gesellschaft] [Gedichte] [Straßen] [Landkarten] [Platt] [Naturdenkmale] [Heide] [Hist. Spaziergang] [Allgem.Zeitung] [Umgebung] [Gesundheit] [Auswanderung] [Forschung] [Bücher] [Damals - Heute] [Kontakt] [Empfehlungen] [Quellen] [A - Z]